Seitenunterschiede bei peripherer Fazialisparese:
Vergleich von Hochgeschwindigkeitsaufnahmen des Gesichtes bei repetitiven Bewegungen
Patrik Dieler & Gerd Fabian Volk
Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde
Fazialis-Nerv-Zentrum Jena
Einleitung
Der Technologische Fortschritt der in Smartphones verbauten Kameras ermöglicht es, mit geringem Aufwand bei gleichzeitig hoher Qualität Aufnahmen vom Gesicht in exzellenter räumlicher und zeitlicher Auflösung aufzuzeichnen. Damit ist die Schwelle, regelmäßig und zum Beispiel im häuslichen Umfeld, optische Veränderungen zu dokumentieren, enorm gesunken. Damit eröffnete sich die Frage, ob diese technologische Innovation für die klinische Diagnostik verwenden werden kann, um Patienten langfristig auch telemedizinisch nachverfolgen zu können. Mit kommerziellen Smartphones werden im Fazialis-Nerv-Zentrum Jena Hochgeschwindigkeitsaufnahmen von Patienten mit einer Defektheilung nach peripherer Fazialisparese aufgenommen. Einzelne Bewegungen wie lockerer und fester Augenschluss und Lächeln werden über 30 bis 50 Mal wiederholt, dabei mit einem Smartphone aufgezeichnet und diese Bewegungen anschließend analysiert und quantifiziert. Dabei soll die Reliabilität der Messungen sowie die inter- und intraindividuelle Variabilität der mimischen Bewegungen untersucht und auf Effekte wie Ermüdung und krankheitsspezifische Unterschiede hin geprüft werden.
Ziele
Ziel dieser Untersuchung ist es, inter- und intraindividuelle Variabilität der einzelnen Bewegungen während der 50 Sekunden langen Untersuchung zu identifizieren. Dabei wird die gesunde mit der paretischen Gesichtshälfte verglichen, um somit mögliche Differenzen zwischen diesen beiden Seiten zu erkennen, typische Bewegungsmuster zu identifizieren und die diagnostische Methodik um ein weiteres Instrument zu erweitern. Zum Vergleich der inter- und intraindividuelle Variabilität der mimischen Bewegungen und der Effekte wie Ermüdung bei Patienten mit chronischer Fazialisparese dient ein Normkollektiv, welches nicht an einer peripheren Fazialis-Parese leidet.
Methode
Untersucht wurde sowohl die gesunde als auch die paretische Gesichtshälfte (Abbildung 1). Die Auswertung der Aufzeichnungen erfolgte mit Hilfe des Programmes Elan und einem Lenovo Laptop (Abbildung 2). Für eine bessere visuelle Auswertung der Videos wurden der Laptop über ein HDMI-Kabel mit einem Fernseher der Marke Phillips verbunden. Ausgewertet wurde die Dauer der Muskelkontraktion anhand von fünf Phasen: Ruhephase, Muskelkontraktionsphase, Plateauphase, Muskelrelaxationsphase und Ruhephase (Abbildungen 3 und 4). Diese Phasen wurden bei den zu untersuchenden Patienten mittels des Programmes Elan optisch ermittelt und im Programm markiert. Das Video wurde abgespielt, bis eine erste Muskelkontraktion sichtbar wurde. Von diesem Zeitpunkt aus wurde das Video einen Frame (0,033 sec.) zurückgespult und ab diesem Zeitpunkt markiert. Die Kontraktion wurde verfolgt, bis die Plateauphase erreicht wurde. Dieses Zeitfenster wurde im Programm als gec1 (gentle eye closure)/fec1 (forced eye closure)/fsm1 (forced smile) bezeichnet. Daraufhin wurde die Plateauphase verfolgt, bis es zur ersten sichtbaren Relaxation der Kontraktion kam und wiederum ab diesem Zeitpunkt einen Frame zurückgespult. Dieses Zeitfenster wurde im Programm als gec2/fec2/fsm2 bezeichnet. Danach wurde die Relaxationsphase verfolgt, bis es zur Ruhephase kam und markiert. Dieses Zeitfenster wurde als gec3/fec3/fsm3 bezeichnet. Die Phasen vor gec1/fec1/fsm1 und nach gec3/fec3/fsm3 wurden als resting state bezeichnet, welche die Ruhephasen vor und nach der Kontraktion widerspiegeln sollen.
Ergebnisse
Anhand der bisherigen Videoauswertungen konnte bereits bei Patienten mit chronischer Fazialisparese ein intraindividueller Unterschied zwischen der gesunden und erkrankten Gesichtshälfte beim festen Augenschluss erkannt werden. Die Relaxationsphase verzeichnete bei der erkrankten Gesichtshälfte, wie in Abbildung 5 demonstriert, bei elf festen Augenschlüssen eine kürzere Zeitspanne für die komplette Bewegung, als die gesunde Gesichtshälfte. Dies hängt mit einer verkürzten Relaxationsphase der erkrankten Gesichtshälfte zusammen, welche man bei der Annotation des Videos beobachten konnte. In Zukunft wird dies bei weiteren Patienten und gesunden Probanden untersucht, um weitere inter- und intraindividuelle Unterschiede zu erkennen.
Ausblick
Die Corona-Pandemie zeigt eindrucksvoll den wichtigen Stellenwert des digitalen Umgangs im Alltag und die Möglichkeiten der Übertragung auf die Telemedizin: Es könnten beispielsweise Verlaufskontrollen bei neurologischen, onkologischen und orthopädischen Erkrankungen per Videoanalyse erfolgen. Des Weiteren können online Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie für rehabilitative Therapie bei diesen Erkrankungen eingesetzt werden. Smartphones bieten eine gute Voraussetzung dafür: Sie bieten eine hohe zeitliche und räumliche Auflösung und eine gute Verfügbarkeit. Der Vorteil dieses technologischen Fortschrittes könnte strukturschwachen Regionen mit schlechter Infrastruktur und unzureichender medizinischer Anbindung zugutekommen. Diese Arbeit gibt zusätzliche Hinweise für telemedizinische Methoden und Alternativen für die klinische Diagnostik und Therapie.
Kontakt: patrikaiman.dieler@uni-jena.de